Dienstag, 29. Januar 2013
Sache mit der Nähmaschine
Tiefgründige Gedanken…oder die
Sache mit der Nähmaschine
Eine nette alte Dame hatte
den Wunsch, ein Willkommens- Türschild zu verschenken. Ich hatte auf dem
Weihnachtsmarkt verschiedene im Angebot. Aber bevor sie sich entscheiden
konnte, war keines mehr da. Ich nahm gerne einen Nähauftrag an und besprach mit
ihr gleich Details. Ob sie sich auch darauf verlassen könne, es pünktlich zu
bekommen, fragte sie noch. Aber klar doch, mein Patchworkerinnen- Ehrenwort.
Zum Ende des Jahres wurde
entworfen und verworfen, überlegt ob mit Hand oder Maschine appliziert wird. Es
wurde genäht und wieder weggelegt, was anderes gemacht, in einem neuen
Patchworkjournal gelesen, kurzum, die Zeit vertrödelt. Das Schild war ja auch
soweit fertig, nur der Rand musste noch angenäht werden. Das geht doch schnell.
Der Termin rückt näher, nun musste ich mich aber sputen, das Päckchen muss zur
Post.
Mein Arbeitstisch sah ganz
schön chaotisch aus, lagen doch überall Zeitschriften, Stoffe, Anleitungen und
Zubehör von mehreren angefangenen Projekten herum.
Alles wurde nur notdürftig
zur Seite geräumt, um ein Stück Stoff für die Rückseite des Schildes zu
schneiden. Rollschneider her, Stoff ausbreiten, grob zuschneiden und dann- ein
fürchterlicher Knall, und eine hohe Stichflamme, die einen Kamin hätte anzünden
können.
Das war ein ziemlicher
Schreck! Es muss einen Schutzheiligen für Patchworkerinnen geben, denn mir war
zum Glück nichts passiert.
Was aber war geschehen? Beim
Wegräumen der Sachen war wohl das Elektrokabel meiner Bernina unter den Stoff
gekommen und der Rollschneider rollte natürlich unbemerkt und mit starkem Druck
direkt drauf zu und hinein und hindurch und…
Das Ergebnis: ein Brandfleck
in der Schneidematte, rußgeschwärzter Stoff und zwei Brandlöcher! in der
Klinge. Man glaubt es kaum, der Strom hat eine solche Kraft, dass er sogar
Metall verbrennt!
Nun ging natürlich nix mehr
mit der Nähmaschine. Der nächste Nähmaschinenmann, der mir ein Kabel hätte
besorgen können ist auch nicht gerade um die Ecke. Hoffentlich hat nicht die ganze
Maschine Schaden genommen, denn sie ist ja nicht nur eine simple Nähmaschine
sondern im Paralleljob noch Computer. Der Termin saß im Nacken. Muss ich jetzt
die nette alte Dame informieren, dass ich sie doch nicht rechtzeitig beliefern
kann, das wäre sehr peinlich und gegen meine Quilterehre.
Was nun? Keine Nähmaschine!
Ich wollte ein festes Vlies verarbeiten, damit das Schild eine gute Form behält,
das konnte ich nicht mit der Hand nähen.
Als ich so vor mich hin
schimpfe, dachte ich so an die Frauengenerationen vor uns. Die haben fast alles
mit der Hand gemacht: ihre Aussteuer genäht und verziert, Kinderkleider angefertigt,
Arbeitskleidung geflickt, Wäsche ausgebessert oder Hosen verlängert, die nicht
mit den Bubenbeinen gewachsen waren. Dazu wurde Stoff benutzt, der von anderen
Näharbeiten übrig war. Oder es war noch ein Teil eines alten Kleidungsstücks in
Ordnung, also wurde es aufgehoben um solche Reparaturen damit zu machen. Sie
verfügten nicht über besonderes Zubehör, sie kamen mit einfachen Mitteln an ihr
Ziel. Sie gingen sehr sparsam mit allem um. Sogar Heftfäden wurden mehrmals
verwendet. Und eine gute Schere wurde versteckt, damit sie nicht „missbraucht“
wurde. Unsere Oma´s und Uroma`s nähten alles mit der Hand, sauber und
ordentlich. Ein kaputtes Kleidungsstück zeugte von Armut, aber ein ordentlich
geflicktes zeugte von Sparsamkeit und war ein Zeichen für eine ordentliche
Hausfrau. Und wenn in einem Haushalt doch eine Nähmaschine stand, da war das
schon etwas ganz Besonderes. Das gute Stück wurde vererbt, meist an die älteste
Tochter. Ich habe darüber nachgedacht, wie viele Frauen mit solchen einfachen
Maschinen den Lebensunterhalt für ihre gesamte Familie verdienen mussten.
Heute ist es Kult, so ein
Teil im Haus zu haben, natürlich zur Dekoration, nicht zum Benutzen. Das ist es-
bei mir steht doch auch eine! Die Maschine habe ich von der über 80-jährigen Cousine
meines Mannes bekommen, ihre Schwiegermutter hatte sie als Hochzeitsgeschenk bekommen.
Keiner in ihrer Familie wollte die Maschine haben, sie ist fast 100 Jahre alt.
Mein Mann hat sie gesäubert, geölt und gangbar gemacht. Sie ist ein
Schmuckstück in meinem Nähzimmer, ich bin glücklich, dass ich sie bekommen
habe. Gedacht- getan. Die Maschine wurde aufgestellt, eingefädelt, eine
Nähprobe gemacht und- und- und …gerade eben kommt mein Mann von der Post zurück.
Es war eine ganz neue
Erfahrung, mit so einer Maschine zu nähen. Hand- kein Fußbetrieb. Mit der
rechten Hand an der Kurbel drehen und mit der linken den Stoff lenken. Gar
nicht so einfach, aber machbar.
Und da komme ich so zum
Nachdenken:
Viele Quilterinnen haben
sich neue, tolle Nähmaschinen zugelegt. Nicht weil ihre alten nicht mehr
funktionierten, sondern weil andere Frauen eben auch super-moderne Nähmaschinen
hatten. Frau möchte ja mithalten. Einige von meinen Kurs- Frauen kennen bis
heute ihre Maschine nicht, wissen nicht, was sie alles kann, sie nutzen die
besonderen Funktionen nicht. Das einzige, was sie mit den Hightech-Dingern
machen ist nähen. Und das habe ich mit meiner Hundertjährigen auch gemacht.
Wir betreiben unser schönes
Hobby zur Freude, zur Entspannung zum stressigen und oftmals menschenunfreundlichen
Arbeitsalltag. Wir kaufen schöne, aber oft teure Stoffe, um sie zu zerschneiden
und wieder aneinander zu nähen. Wir machen oft aus den Stoffen Dinge, die
keiner braucht. Die Dinge liegen mehr Zeit ihres Lebens im Schrank, statt einen
richtigen Zweck zu erfüllen. Kaum eine von uns muss damit ihren Lebensunterhalt
verdienen.
Freilich, ich möchte nicht
auf Rollschneider und Schneidematte verzichten, nicht auf Tageslichtlampe und
Bügelstation und schon gar nicht auf meine supermoderne Nähmaschine.
Aber sollten wir, ich
schließe mich da mit ein, nicht einmal darüber nachdenken, was sogar ein Hobby
aus uns macht. Ohne es zu merken lassen wir uns in einen Strudel hineinziehen,
dem wir nur schlecht entrinnen können. Wir sind geneigt, alles was neu ist,
auszuprobieren. Ich will damit nicht sagen, dass dies immer etwas Schlechtes
ist. Nur dadurch ist Weiterentwicklung möglich. Aber wo führt es hin? Ist es
noch steuerbar? Überrennt es uns nicht? Sind wir noch in der Lage, Stopp zu
sagen, bis hier her und nicht weiter?!
Wäre es nicht manchmal besser
zu sagen, ich kaufe nicht das Neueste, das Alte tut´ s auch.
Ich jedenfalls habe festgestellt, sogar eine ganz
alte Nähmaschine tut es.
Quiltige Grüße von RELA
3 Kommentare:
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Du hast aber auch ein Pech. Ich habe schon manchmal schnell das Kabel weggezogen. Schließlch habe ich nur "elektrische" in meiner Kammer. Aber so ein Schmuckstück ist schon was feines. Die ersten Steif-Bären wurden so genäht und natürlich vieles Anderes.
AntwortenLöschenSo eine Rückbesinnung ist also manchmal recht gut.
Liebe Grüße HR
Du sprichst mir aus dem Herzen! Das Türschild ist sehr schön.
AntwortenLöschenLiebe Grüße!AnThon
Über das lustige Horoskop bin ich neulich auf Deinen Blog geraten, und habe mir vorgenommen, mal in Ruhe deine Posts zu lesen. Heute früh war Zeit. Diesen hier finde ich besonders interessant. Vor 2 Tagen habe ich auch über die Nähmaschine geschrieben. Ja, man kauft viel zu viele Sachen und das alte Zeugs wird weggeworfen. Die Müllberge wachsen und wachsen.
AntwortenLöschenDas Türschild ist der Hit. So etwas muß ich mir mal mit Hühnern nähen.
Liebe Grüße Marianne